Fasten für den Weltfrieden
Filmkritik: Club Zero, Jessica Hausner
Text: Lydia Bißmann - 03.12.2023
Rubrik: Film
Jessica Hausners neuester Film Club Zero handelt von Jugendlichen in einer Privatschule, die mit selbst auferlegter Askese sich selbst und nicht zuletzt die ganze Welt verbessern wollen.
Gedreht wurde im St. Catherine’s College in Oxford, das vom skandinavischen Star-Architekten Arne Jacobsen entworfen wurde. Kostüme und Set sind nicht zuletzt deshalb von der Christbaumkugel bis zur Teekanne, vom Ballettsaal bis zur Nachttischlampe eine Occasion für Design-Fans.
Mia Wasikowska (Ms Novak) lockt die Heranwachsenden mit Aufmerksamkeit in einen Geheimclub. (Credit: coop99)
Askese als Zärtlichkeit
Es ist aber weniger das Thema Essen, an dem die Regisseurin ihre Themen wie Konsumkritik und Gruppendynamik behandelt. Der anscheinend hochbegabte Nachwuchs reicher Eltern verfällt in einem Kurs für gesunde Ernährung ihrer Lehrerin (Mia Wasikowska), die sie als Mitglieder des Club Zero gewinnen möchte. Dass der völlige Verzicht auf Essen nicht gut ausgehen kann, ist klar.
Wie alle Post-Pubertierenden sind die Elite-Schüler*innen auf der Suche – nach sich selbst und nach einem Sinn überhaupt – und scheinen auch optisch noch nicht rund zu sein. Grottenschlecht aufgelegter Kajal unterstreicht das hervorragende Spiel der Nachwuchstalente, die im Extrem-Fasten endlich etwas zum Festhalten gefunden haben. Von ihren Eltern werden sie wie kostbare Preziosen behandelt, die sich in den teuren Wohnungen zuhauf wiederfinden. Auch die Zuneigung der Lehrerin ist nicht viel mehr als ein paar Sekunden Aufmerksamkeit, die sie ihren Zöglingen nicht ohne Hintergedanken schenkt. Echte menschliche Wärme gibt es nur von der Mutter von Ben (Amanda Lawrence), die ihren tatsächlich begabten Sohn (Samuel D. Anderson) nur mit einem Stipendium auf der Privatschule halten kann. Logischerweise hat er dort viel weniger Handlungsspielraum als die Rich Kids.
Ben (Samuel D Anderson ). (Credit: coop99)
Theatrale Szenen auf der Leinwand
Emotionale Schlichtheit, menschliche Kälte und die Unfähigkeit, Empathie auch nur annähernd zu verspüren, zieht sich wie ein Faden durch den Film und wird durch das sparsame Spiel der Protagonist*innen, die sich wie im Theater als Ensemble in einer Gruppe, verstärkt. Der Verzicht auf Close-ups unterstreicht diesen Eindruck. Durch die Reduktion auf die wesentlichen Handlungen wird die Geschichte lebendig und erhält einen unheimlichen Touch. Wie bei einem gut designten Objekt beschränkt sich die Regisseurin auf das Wesentliche, verzichtet auf dramatische Kinkerlitzchen oder Nebenhandlungen. Ein zusätzlicher Drive ist die Musik von Attwenger-Drummer Markus Binder, der der Geschichte – fast wie in einem Stummfilm – durchgehend den Begleitrhythmus spendet.
Club Zero (Credit: coop99)
Club Zero (2023), Regie: Jessica Hausner Mit Mia Wasikowska, Elsa Zylberstein und Sidse Babett Knudsen A/D/F/ UK/DK 2023 | Thriller, Drama | 110 min.
Beste Musik, Sitges – Catalonian International Film Festival
"Ein Film mit schneidendem Humor, eine subtile Reise in die Welt der Grausamkeit." (Le Monde)
"Eine exzellente Gesellschaftssatire" (Kurier)
Jessica Hausner, geb. 1972 in Wien, studierte Filmregie an der Filmakademie Wien und ist dort seit 2020 Professorin für Regie. Schon ihr erster Kurzfi lm "Flora" (1996) wurde bei den Internationalen Filmfestspielen Locarno ausgezeichnet. Ihr Langfilmdebüt "Lovely Rita" (2001) wurde ebenso wie der Thriller "Hotel" (2004) in Cannes uraufgeführt. "Lourdes" (2009) wurde vielfach international ausgezeichnet; "Little Joe" (2019) nahm in Cannes am Wettbewerb um die Goldene Palme teil.